Gegendemonstrant_innen bei der "Pegida"-Demonstration am 15.12.2014
flickr/ cc/ Caruso Pinguin

Was tun gegen Pegida?

Viele Politiker und Politikerinnen wollen angesichts von Pegida die "Ängste besorgten Bürgern und Bürgerinnen ernstnehmen" und mit ihnen einen Dialog führen. Damit meinen sie die antiliberalen Wutbürger und Wutbürgerinnen, die die Sorge um die eigenen Pfründe und Gewohnheiten in Dresden auf die Straße treiben. Aber sind das die richtigen Ansprechpartner? Und kann man nicht ganz andere Sachen tun?

Von Simone Rafael

Nach dem ersten Schreck: "Huch, wo kommt Pegida her?" geht es nun im erregten Gesellschaftsdiskurs um die Frage: "Was tun mit und gegen Pegida?" In den Medien ist zu lesen, die Menschen sollten nicht in die Nazis-Ecke gestellt werden, man müsse ihre Ängste ernst nehmen und einen Dialog führen. Dazu ein paar Gedanken: 

In die Nazi-Ecke stellen

Wer mit Nazis auf die Straße geht, stellt sich selbst in die Nazi-Ecke. Teilnehmer_innen der Pegida-Demonstrationen in Dresden wissen, dass sie mit Rassisten, Rechtspopulisten, Demokratiefeinden und Nazis unterwegs sind. Alle "Argumentationen" und Themen der "Pegida"-Demonstrationen stammen aus dem rechtspopulistischen Internet-Umfeld rund um "Politically Incorrect" (PI-News), Kopp-Verlag, Honigmann-Blog und Co. und verpesten die Kommentarspalten sämtlicher Onlinemedien seit Jahren. Immer geht es darum, den Pluralismus einer liberalen Demokratie zu bekämpfen, der in Deutschland längst Alltag ist. Den Teilnehmern sind die Phrasen bekannt, sie können die zum Teil hanebüchenen Argumentationen wiedergeben und sie folgen sogar den paranoiden Forderungen der Veranstalter, mit niemandem über seine Überzeugungen zu sprechen. Dort steht keiner mehr aus Versehen. Ob der oder die Einzelne mehr rassistisch, demokratiefeindlich, autoritätshörig, wohlstandschauvinistisch, völkisch oder auf Etabliertenvorrechte pochend motiviert ist, ist sicher von Fall zu Fall verschieden gewichtet. Wütend auf das "System" (gemeint ist die Parteiendemokratie) und die "Lügenpresse" (alles, was nicht ihre eigenen Medien sind), sind sie jedenfalls.

Dialog führen?

"Pegida"-Demonstrationsteilnehmer_innen sind wütend: Nirgendwo wird ihre Meinung gehört. Aber die "Pegida"-Organisatoren geben aus: Sprecht nicht mit der Presse, sprecht nicht mit der Politik. Und alle halten sich daran. So wird Dialog schwierig: Er bedarf auch der Bereitschaft, ins Gespräch zu kommen, zuzuhören und Argumente zu bedenken. Das wollen die "Pegida"-Teilnehmer_innen nicht. Sie sind also nicht ansprechbar für Dialog. Sie berufen sich auf "Sorgen", die jeder faktischen Grundlage entbehren, sondern maximal auf Übertreibungen, Verallgemeinerungen und Hörensagen-Geschichten aus oft unüberprüfbaren Quellen fußen. Vielen ist das sogar bewusst. Deshalb wollen sie auch nicht reden.

Klare Kante

Was also dann? Gesellschaftliche Werte verteidigen. Gegendemonstrationen sind wichtig, Proteste zivilgesellschaftlicher Gruppen, von Organisationen, Unternehmen und Politikern. Bei der "Pegida" besteht ein wesentlicher Teil des Spaßes der Teilnehmer_innen darin, mit der hasserfüllten Meinung endlich einmal nicht mehr alleine zu sein, sondern als Event auf der Straße herumzustehen und dann sogar noch "Wir sind das Volk" zu rufen und sich damit wichtig und sogar ein bisschen mächtig zu fühlen. Die Demonstrationen also nicht unkommentiert laufen zu lassen und den Teilnehmer_innen klar zu machen, dass sie nicht "das Volk" sind, sondern nur ein Haufen rückwärtsgewandter Demokratie-Angsthasen, ist ein wichtiges Statement gegen eine Erosion demokratischer Werte, die die Rechtspopulisten wollen.

Klare Kante II

Und ja, auch wenn die "Pegida"-Menschen so empört sind: Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen als solche benennen, zurückweisen und gegebenenfalls auch anzeigen. Gilt auch für Vertreter_innen der Presse, die aktuell bei "Pegida"-Demos besonders gern beschimpft werden. Gilt auch für Internetforen und Soziale Netzwerke, in denen Rechtspopulist_innen sich aufspielen - Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen nicht stehen lassen, löschen. Auch verbaler Gewalt muss man keinen Platz geben.

Nicht nach dem Mund reden

Politiker und Politikerinnen sollten sich klar machen, das es nicht möglich ist, die Pegida-"Argumente" rechtsaußen zu überholen, ohne demokratische Werte und Grundrechte zu beschädigen. Und dass es außerdem nichts nützt: Die Rechtspopulist_innen werden nichts gut finden, was die "Systemparteien" anbieten. Schwankende Bürger_innen erleben das aber als Bestätigung: Ah, dann muss es ja doch ein Problem mit der Kriminalität von Flüchtlingen, mit der Einwanderung in Sozialsysteme geben, wenn die Politik das aufgreift (und nein, tut es nicht). Das Einzige, was nützt: Überzeugungen verteidigen und erklären. Demokratische Werte, Solidaritätsprinzip, Gleichheitsprinzip, Nächstenliebe. Ohne Abstriche.

Dialog führen

Allerdings könnte die Politik Dialog führen:

  • Mit Menschen, die sich um ernsthafte (d.h. zumindest möglicherweise existente) Probleme sorgen und auch an einer Lösung dieser Probleme interessiert sind - das ist meist im lokalen Kontext der Fall.
  • Oder mit denen, die von den Hass-Demonstrationen betroffen sind: Den Flüchtlingen, den Muslimen, die eine persönlich geäußerte Nachfrage und Solidaritätsbekundung sicherlich aktuell auch gut gebrauchen können.
  • Mit zivilgesellschaftlichen Bündnissen, die Flüchtlinge willkommen heißen, ihre Situation zu verbessern suchen, die Demokratie in ihrer Region stärken.
  • Mit Flüchtlingsräten, mit Menschen, die in Schulen und Kitas mit Flüchtlingskindern arbeiten, mit Sozialarbeiter_innen, die Flüchtlinge betreuen: Sie alle können viel über ernsthafte Probleme und Lösungsmöglichkeiten berichten.
  • Mit den eigenen Behörden über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik: Wenn etwa in Berlin ein Bezirksamt argumentiert, man könne die Turnhalle für das Kinderturnen nicht mehr beheizen, weil das Geld für "die Flüchtlinge" ausgegeben worden sei, in Bayern einem wissenschaftlichen Forschungsvorhaben die Förderung mit der gleichen Begründung entzogen wird, wird über ein "bequemes" Argument, gegen das scheinbar niemand etwas sagen kann, schnell Rassismus geschürt - und eine ungute Gerüchteküche entsteht. 
  • Mit den Medien über eine verantwortungsvolle Berichterstattung: Flüchtlinge tauchen in den Medien meist in der Mehrzahl, selten als Individuen und noch seltener als Menschen wie alle auf. In der Regel wird nur über sie berichtet, wenn es ein Problem gibt. Dafür sehr selten über ihre reale, zermürbende Situation. Auch "Muslime" erscheinen meist in der Mehrzahl, werden in der Regel als Gegensatz zu "Deutschen" beschrieben, schlimmstenfalls gar als fremd - dabei sieht die Realität längst völlig anderes aus. Werden Sie als Erfolgsgeschichten präsentiert, fehlt der Hinweis auf die Religion dagegen häufig. In der Kriminalitätsberichterstattung dagegen selten. Dafür könnte man auch sensibilisieren.

Argumente

Helfen Argumente gegen überzeugte Rechtspopulist_innen? Nein.
Argumente helfen leider nicht, wenn der Angesprochene nicht zuhört oder wider besseres Wissen auf seiner Meinung beharrt. Auch wenn nun alle Medien und politischen Stellen bestätigen, dass es keine "Islamisierung" in Deutschland gibt, werden die Islamfeinde trotzdem immer bei ihrer Meinung bleiben. Weil ihnen dafür sogar schon ein einziger Muslim reicht. Oder gar keiner, sondern nur einer, von dem sie mal wo anders gehört haben.

Helfen Argumente, wirklich besorgte Anwohner und Anwohnerinnen zu erreichen? Ja. 
Das Bezirksamt Berlin-Pankow hat dies in Berlin-Buch etwa gut gemacht: Auf jede naheliegende Frage sind sie in einem Brief an alle Anwohner eingegangen, und dürften so der Gerüchteküche im Bezirk einiges an Inhalt genommen haben.

Lösungen

Wer ernsthaft an der Lösung eines Problems interessiert ist, weiß, dass sich keine Probleme lösen, indem man mit Nazis auf der Straße herumsteht. Wer sich also zum Beispiel ernsthaft darüber Sorgen macht, dass Flüchtlinge aufgrund ihrer begrenzten und isolierten Lebenssituation im Flüchtlingsheim aggressiv werden könnten, kann sich für eine Willkommenskultur, eine bessere Wohnsituation und eine bessere soziale und psychologische Betreuung der Flüchtlinge einsetzen - oder zumindest die Menschen unterstützen, die das tun. 

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