Protest gegen die "Demo für alle" in Stuttgart: "Vielfalt"-Plakat am Opernhaus.
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Monatsüberblick April 2016: Homofeindlichkeit und Sexismus

Darin: Berliner LGBT-Gruppen sagen AfD und NPD den Kampf an +++ Homophobie im Fußball: Langsames Umdenken auf dem Platz +++ Die Mythen der Rechten: Zurück zum Tabu bei den "Demos für alle" +++ Justizminister Maas will Sexismus-Verbot in der Werbung +++ ​Das Leben nach dem #aufschrei +++ Kiel: Kein Mob - außer in der Fantasie der Polizei +++ Wenn rechtsextreme Frauen Opfer von häuslicher Gewalt werden +++ Für Baden-Württembergs Schüler gehört sexuelle Vielfalt künftig zum Unterricht +++ Aktion gegen Gender Pay Gap: Das passiert, wenn Männer mehr für Kuchen zahlen müssen als Frauen +++ Gleichstellung: Mehr Bildung alleine reicht nicht +++ Gender in der Biologie: Es gibt mehr als zwei Geschlechter.

 

Homo- und Transfeindlichkeit

Berliner LGBT-Gruppen sagen AfD und NPD den Kampf an

Rund ein Dutzend Organisationen der queeren Community haben eine Kampagne gegen den Einzug rechtspopulistischer und -radikaler Parteien ins Abgeordnetenhaus gestartet. Mit der Kampagne "Arsch hoch" will die Berliner Aids-Hilfe gemeinsam mit einer Reihe von LGBT-Gruppen einem möglichen Einzug homophober rechter Parteien ins Abgeordnetenhaus entgegenwirken. Unter dem Motto "Keine Stimme den Blauen und Braunen" soll insbesondere vor AfD und NPD gewarnt werden. "Wir können und werden nicht schweigen, wenn das Schüren von Ängsten gegen Minderheiten um sich greift und Gewalt gegen Flüchtlinge und Andersdenkende zunimmt", heißt es in dem Aufruf der Aids-Hilfe, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Mit der Aktion wolle man die queere Community aufrütteln und verdeutlichen, dass die errungene Akzeptanz in Berlin kein Selbstläufer sei, erläuterte Aids-Hilfe-Vorstand Ines Lehmann. "Im Falle eines nach rechts abdriftenden Parlamentes sind diese Errungenschaften wieder in Gefahr." Auf ihrer Website warnt die Aids-Hilfe etwa davor, dass AfD und NPD die sexuelle Vielfalt verneinten und "die sogenannte Propaganda von und über queere Menschen" verbieten wollten.

Homophobie im Fußball: Langsames Umdenken auf dem Platz

Homosexuelle Fußballer haben es im Amateurbetrieb nach wie vor schwer. In Berlin wollen Projekte wie "Soccer Sound" den Amateurfußball vom homophoben Mief befreien. 

Die Mythen der Rechten: Zurück zum Tabu

In Stuttgart tun sich Rechte zusammen, um ein Familienbild von vorgestern durchzusetzen - auf Kosten diskriminierter Minderheiten. Die Initiative „Demo für alle“ macht Biologieunterricht zum Schlachtfeld für mehr Intoleranz. An einem sonnigen Frühjahrssonntag war es mal wieder so weit: Die Initiative „Demo für alle“ hatte gerufen, und Tausende kamen. Von 4500 Menschen auf dem Stuttgarter Schlossplatz wurde hinterher berichtet. Demo für alle? Das soll natürlich an „Ehe für alle“ erinnern, allerdings negativ. Sehr negativ. Die Menschen, die hier versammelt sind, wollen nicht, dass auch Lesben und Schwule irgendwann richtig heiraten dürfen, und überhaupt kommen ihnen sexuelle Minderheiten viel zu einflussreich vor. Mit anderen Worten: Die „Demo für alle“ ist gerade nicht für alle, sondern für die, die nicht wollen, dass alle die gleichen Rechte haben. Ein weit verbreitetes Argumentationsmuster im Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus. Auf dem Stuttgarter Schlossplatz ist dieser Grenzbereich prominent vertreten. Es sprechen unter anderem ein österreichischer Weihbischof, der Generalsekretär der konservativen „Evangelischen Allianz“ in Deutschland und ein Vertreter der „Bruderschaft des Weges“, in der „homosexuell empfindende“ Christen sich das aktive Schwulsein abgewöhnen wollen. Und es sprechen Hedwig von Beverfoerde, die Organisatorin der „Demo für alle“, sowie die Publizistin Birgit Kelle.

Sexismus
 

Justizminister Maas will Sexismus-Verbot in der Werbung

Ein Gesetzesentwurf soll sexistische Werbung in Deutschland verbieten. Was genau als sexistisch gelten soll, ist allerdings völlig unklar. Probleme könnte es schon für Unternehmen geben, die anregende Fotos einsetzen. Weiblichkeit (und vermutlich auch Männlichkeit) funktioniert in der Werbung. "Sex sells" heißt das. Ein Prinzip, das auch in Deutschland gilt - aber bald verschwunden sein könnte: Reiz-Reklame soll verboten werden. Der Vorstoß kommt aus dem Justizministerium. Im nüchternen Behördensprech heißt das: Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung - der entsprechende Gesetzesentwurf werde gerade im Hause von Heiko Maas angefertigt, berichtet der "Spiegel". Es soll dabei auch keineswegs um einen prüden Bann nackter Haut gehen, sondern um den Versuch, Sexismus aus der Werbung zu tilgen. Ein "moderneres Geschlechterbild" soll den archaischen Deutschen auf Plaktaten, in Anzeigen und Werbespots vorgesetzt werden. Was das bedeutet, ist völlig unklar. 

​Christoph Strässer (MdB, SPD) erklärt, warum eine Regelung bitter nötig ist: Es ist vollkommen selbstverständlich, dass Werbung nicht rassistisch oder antisemitisch sein darf. Warum sollte es andererseits dann erlaubt sein, dass Werbung sexistisch ist oder gar Frauen zu bloßen Objekten degradiert? Im Gegenteil: Es ist doch vollkommen selbstverständlich, dass Werbung nicht frauenfeindlich sein darf – eigentlich.

​Das Leben nach dem #aufschrei

Als Berufsbezeichnung lässt sie "Feministin" nicht gelten. "Nein, ich bin Aktivistin, Autorin und Beraterin für digitale Medien", erklärt Anne Wizorek. Auf Einladung der Wiener SPÖ-Frauen war die Berlinerin kürzlich in Wien. Einen Namen machte sich die Mittdreißigerin 2013 mit dem Hashtag #aufschrei. Unter dem Begriff klagte sie auf Twitter über Alltagssexismus, Tausende Userinnen folgten ihr und schilderten ihre persönlichen Erfahrungen mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

KURIER: Der deutsche Justizminister plant, sexistische Werbung zu verbieten. Allerdings als Reaktion auf Köln. Verstehen Sie diese Verknüpfung?

Anne Wizorek: Es gibt Studien, dass die Hemmschwelle dafür sinkt, Frauen herabzusetzen und sogar Gewalt anzuwenden, wenn sie als Objekte – wie in der Werbung – dargestellt werden.

Bekämpft man nicht ein Symptom, und das Problem selbst wird gar nicht angegangen?

Sexistische Bilder sind mit dem verknüpft, wie wir miteinander umgehen. Jetzt kommt es uns normal vor, weil es Teil unserer Welt ist. Wenn wir aber Männer in typischen Posen abbilden, wie Frauen dargestellt werden, kommt es uns total merkwürdig vor. Dann erst bemerken wir, wie normal diese Darstellung von Frauen für uns ist.

http://kurier.at/leben/netz-feministin-und-aktivistin-anne-wizorek-von-aufschrei-imzugpassiert-ueber-sexismus-und-feminismus-wir-haben-noch-immer-nicht-alles-erreicht/193.139.203

 

Kiel: Kein Mob - außer in der Fantasie der Polizei

In Kiel gab es keinen Mob, der Frauen gefilmt und verfolgt hat. Die Polizei aber malte das Zerrbild triebgesteuerter muslimischer Verdächtiger. Das ist skandalös. Dass die Republik seit den Silvester-Angriffen von Migranten auf Frauen eine andere geworden sei, ist ein Gemeinplatz. Wie fundamental, das zeigen die Ereignisse um den Kieler Sophienhof. Wohlgemerkt nicht die im Sophienhof. Denn die stellen sich jetzt völlig anders dar, als es zunächst schien. Von dem Mob aus bis zu 30 männlichen Migranten, die drei junge Frauen verfolgt, bedrängt und dabei fotografiert und gefilmt haben sollen, sind zwei angetrunkene Jugendliche geblieben, die sich ihrer Festnahme widersetzt haben. Ja, zuvor sind sie offenbar den Frauen so nahe gekommen, dass die sich bedroht fühlten. Aber dabei mussten sie nicht die berüchtigte „Armlänge Abstand“ verteidigen. Und keine von ihnen, das ist nun nach 36 Tagen endlich klar, wurde fotografiert oder gar gefilmt.

Nazis vor Gericht: „Wie ein Tier“ über das Opfer hergefallen

Kai K. und Florian I. sehen aus wie Bilderbuchnazis - und sind es auch. Sie demonstrieren mit ihren Kameraden für die Ehre der deutschen Frau, stehen aber wegen mehrfacher Vergewaltigung vor dem Landgericht. Kai K., 32, und Florian I., 26 Jahre alt, müssen sich wegen Vergewaltigung vor dem Landgericht verantworten. K. werden drei Fälle zur Last gelegt: Am 7. Juni 2015 soll er in Steinbach versucht haben, eine Frau, die auf dem Nachhauseweg von einem Volksfest war, zu vergewaltigen. Laut Anklage riss er sie an den Haaren zu Boden und hielt ihr den Mund zu – die Vergewaltigung scheiterte daran, dass K.s Saufkumpan diesen von der Frau wegzog. Am 25. Juni soll K. dann im Frankfurter Bahnhofsviertel zwei Frauen aus einer Kneipe abgeschleppt und mit in seine Wohnung genommen haben. Die eine sperrte er auf dem Balkon aus, die andere vergewaltigte er – bis diese wegen des zugehaltenen Mundes Atemprobleme bekam und ihre ausgesperrte Freundin die Balkontür mit einem Grill einschmiss, um ihrer Freundin zu Hilfe zu eilen. Den dritten Fall sollen K. und I. gemeinsam begangen haben. Laut Anklage lockten sie eine Prostituierte am 20. September mit einem lukrativen Angebot in die Wohnung, wo sie sie nicht bloß um ihren versprochenen Lohn prellten, sondern mit einer Peitsche zum Sex zwangen.

Wenn Rechtsextremistinnen Opfer von häuslicher Gewalt werden

Rechtsextremismus ist auch weiblich – dies hat sich spätestens seit dem NSU-Prozess um Beate Zschäpe gezeigt. Am Dienstagabend beschäftigen sich die Nürnberger Sozialpädagoginnen Agnes Betzler und Katrin Degen in einem Vortrag mit der Frage, wie Frauenhäuser mit rechtsextremen Bewohnerinnen umgehen. "Rechtsextreme Frauen als Opfer häuslicher Gewalt und der Umgang von Frauenhäusern mit diesen" – so lautet der Titel des Vortrages von Katrin Degen und Agnes Betzler. Bei ihrer Recherche hatten Degen und Betzler herausgefunden, dass 11 Prozent der Frauenhäuser bereits rechtsextreme Frauen beherbergt hatten. "Es ist also keineswegs ein seltenes Phänomen", konstatiert Agnes Betzler. Die rechtsextremen Frauen stellen eine besondere Herausforderung für die soziale Arbeit dar. So sei es in Frauenhäusern sowieso schwierig, wenn Bewohnerinnen mit den unterschiedlichsten Biografien auf engem Raum zusammenlebten. Kämen aber noch gewalttätige Auseinandersetzungen mit rassistischer Motivation dazu, könne dies schnell zu Eskalationen führen. "Die Frauen suchen Zuflucht in diesen Einrichtungen. Wenn sie dort jedoch auch angefeindet werden, ist das ein schlimmer Vertrauensbruch", so Agnes Betzler. Ausgehend von ihrer Untersuchung fordern die Sozialpädagoginnen, innerhalb der Frauenhäuser mehr Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. „Das Problem von rechtsextremen Frauen in den Einrichtungen muss thematisiert werden, vor allem auch mit den Betroffenen selbst. Ein Nicht-Reagieren darf es nicht geben“, ist Agnes Betzler überzeugt.

 

Gender

 

Für Baden-Württembergs Schüler gehört sexuelle Vielfalt künftig zum Unterricht

Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat den umstrittenen Bildungsplan auf den Weg gebracht. Konservative Verbände ebenso wie die CDU hatten sich speziell an einer Leitperspektive zur "Akzeptanz sexueller Vielfalt" gestört. Nun kritisiert die CDU den Zeitpunkt von Stochs Unterschrift unter die neuen Bildungspläne. Lange wurde gestritten, nun hat Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD) die viel diskutierten Bildungspläne für die Schulen im Südwesten endgültig auf den Weg gebracht. Die Endfassungen der Pläne für die verschiedenen Schularten sollen Anfang kommender Woche online veröffentlicht werden. Umstritten sind sie hauptsächlich einer Leitperspektive wegen. Laut ihr soll sexuelle Vielfalt eine wichtige Rolle spielen - damit wollen die Grünen Diskriminierung entgegenwirken. Gegner sehen darin eine "Gender-Ideologie" und Sexualisierung der Kinder.

 

Aktion gegen Gender Pay Gap: Das passiert, wenn Männer mehr für Kuchen zahlen müssen als Frauen

Australische Studenten haben mit einem Kuchenverkauf auf die Gender Pay Gap hingewiesen: Frauen mussten weniger zahlen als Männer, weil sie ja auch weniger verdienen. Als Reaktion wurde ihnen mit Vergewaltigung und Mord gedroht.

Gleichstellung: Mehr Bildung alleine reicht nicht

Frauen holen bildungsmäßig auf, doch die berufliche und politische Gleichstellung bleibt aus. Forscher um Stephanie Seguino haben für eine Untersuchung zum Thema Bildung und Gleichstellung von Frauen Daten der vergangenen zwei Jahrzehnte (1990-2010) aus 150 Ländern analysiert. Das ernüchternde Ergebnis: Obwohl Frauen überall immer besser gebildet sind, haben sie noch immer die schlechter bezahlten Jobs. "Klar, Bildung alleine wird dieses Problem nicht lösen", fasst Seguino die Erkenntnisse der Studie, die im Journal of African Development veröffentlicht wurde, zusammen. "Wir brauchen konkrete politische Mittel, um die geschlechtsdiskriminierenden Barrieren zu brechen. Die 'unsichtbare Hand' des Marktes schafft es nicht."

Gender in der Biologie: Es gibt mehr als zwei Geschlechter

Nur „weiblich“ und „männlich“ ist zu wenig. Es gibt mehr als zwei Geschlechter. In der Biologie ist das inzwischen anerkannt. Die Wissenschaftszeitschrift „Nature“ – sie gehört zu den anerkanntesten in der Disziplin Biologie – veröffentlichte unlängst einen Übersichtsartikel, der gesellschaftliche Gewissheiten auf den Kopf stellt. Biologisches Geschlecht sei nicht einfach in zwei Varianten – „weiblich“ versus „männlich“ aufzuteilen. „Die Annahme, es gebe zwei Geschlechter, ist zu simpel“, erläutert Claire Ainsworth im Artikel „Sex redefined“. Sie fasst damit den Forschungsstand der Biologie zusammen, der von einem größeren Spektrum geschlechtlicher Entwicklungsmöglichkeiten ausgeht.

 

 


 

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